Klänge zwischen Zeit und Ewigkeit



Anfänge der Glocke in China

 



Unsere Reise durch die Welt der Glocken beginnt wohl vor 5000 Jahren in China. Sie stieg wie Phönix aus der Asche aus der Unendlichkeit empor und fand Gefallen  beim legendären „Gelben Kaiser“, Huang-ti. Er ließ vor nun mehr fast 4500 Jahren zwölf Glocken gießen, um klangvoll zu musizieren. Im Frühlingsmonat am Tage I Mao, als die Sonne im Zeichen Kui stand, fanden die ersten Aufführungen statt.

Der "Erste Kaiser" beauftragte Konfuzius, für das gesamte Kaiserreich eine Glocke als Leitton gießen zu lassen. Sie verhalf dem Orchester als Stimmgabel zum rechten Ton. Ihr Durchmesser war gleichzeitig das Maß der Länge im gesamten Kaiserreich, ihr Hohlraum die Maßeinheit für eine Schütte Reis, ihr Gewicht das Eichmaß der Wage. Sie war das Maß aller Dinge, sie trug in sich das Ordnungsprinzip für das Kaiserreich.     

Gemälde mit Tänzerinnen und Musikanten am Hubei Glockenspiel, Tu Zhiwei, Bild -mit Dank- überlassen vom Künstler.


Zahlreiche chinesische Philosophen war zutiefst davon überzeugt, dass alle Musik und mit ihr die Glocke, im Herzen der Menschen geboren werden. Und alles, was das Herz bewegt, das strömt in Tönen aus; wenn ein Ton draußen erklingt, beeinflusst er wieder das Herz drinnen. Wenn Musik, wenn der Glocke Klang im Herzen der Menschen geboren werden, dann müssen ihre Klänge so vielfältig sein wie das Wesen des Menschen, also ein Wechselspiel von Klängen und Widerhall. 

Zur wichtigsten Aufgabe eines jeden ersten chinesischen Kaisers gehörte es den Leitton zu finden um Gemeinschaft und Kosmos in Einklang zu bringen. Um diesen Leitton hatte sich im fünften vorchristlichen Jahrhundert der damalige Justizminister Konfuzius, zu kümmern. 


Um das Jahr 221 v. Chr. lebte Schi-huang-ti, Miterbauer der Chinesischen Mauer und „Erster erhabener Kaiser und göttlicher Sohn des Himmels“, wie er sich selbst nannte. Am Morgen erklangen am Hofe Gongs und Glöckchen, die ihn mit harmonischen Klängen erwachen ließen. 

Wie jeden Morgen um diese Zeit, erdröhnt im Palastes ein schwerer Bronzegong und der Klang abgestimmter Glöckchen, Glocken und Saiteninstrumenten. Der Kaiser hat sich erhoben und seinen Tagesablauf begonnen.

So „friedvoll“ begann der Tagesablauf von Kaiser Schi-huang-ti, einem der grausamsten Tyrannen der Chinesischen Geschichte. Er ließ unbequeme oder Menschen anderer Meinung und Rasse töten, ordnete eine Bücherverbrennung von bis dahin unbekanntem Ausmaß an. 

Er ließ alle Glocken des Landes zerstören, rief ein „Tausendjähriges Reich“ aus, dessen Herrschaft gerade mal 12 Jahre überdauert.

Wir werden auf unserer Reise durch die Welt der Glocken, zunächst ins Land der Bibel, dann nach Europa, noch ganz ähnliche Bekanntschaften machen.


 

Die Große Tempelglocke im großen Tempel von Peking

Die „Große Glocke“ im großen Tempel von Peking wurde um das Jahr 1406 unter Kaiser Yong Le gegossen. Er ist Gründer der neuen und größeren Hauptstadt Peking, Er zählt zu den herausragenden Kaisern in der neueren Geschichte Chinas. Er war es auch, der die unter seinem Vorgänger Hongwu zerstörten legendären Türme Pekings, die vermutlich Marco Polo beschrieb, wieder aufbauen ließ.

In einen dieser Türme, Tempel der „Großen Glocke“ genannt, wollte Yong Le eine so große Glocke erschallen lassen, wie sie das ganze Land bisher nicht gehört und besessen hatte. Der Ton dieser Glocke sollte klangvoller, schöner und reiner sein als der jeder anderen Glocke des Landes. 

Über 100 buddhistische Sutren und Mantren mit insgesamt 231.084 Schriftzeichen, sind auf der Innen- und Außenwandung der Glocke eingegossen. Kaiser Yong Le war fest davon überzeugt, dass beim Klang der Glocke die Menschen auch den Sinn der Sutren und Mantren hören und besser verstehen.


Diese geschichtlichen und technischen Hintergründe lesen sich weit nüchterner als die grausame Sage, die sich um den Guss der „Großen Glocke“ rankt. Bei Ihrem Guss soll die Tochter des Glockengießers in die glühende Bronze gesprungen sein, damit die Wahrsage in Erfüllung geht und der Guss gelingt. Am Schuss der Sage lesen wir:

Die „Große Glocke von Peking“ war meisterhaft gelungen und erklang bald darauf im Tempel. Beim ersten Anschlag mit dem großen Holzbalken war ihr Ton so rein und klar und rührte die Menschen, dass keiner diese Klänge jemals wieder vergessen konnte. Der Glockengießer aber glaubte im Klang der Glocke auch die Stimme seines geliebten Kindes zu hören.

Als der Meister sah, wie die „Große Glocke von Peking“ den Menschen Glück und Segen brachte, fand auch er seinen Frieden. Denn das Opfer seiner geliebten Tochter war nicht vergebens. Sie hatte für ewige Zeiten ihren Frieden in den Klängen der Glocke und in Buddhas Schoß gefunden.

Die Große Tempelglocke von Peking, auch Yong-Le-Glocke genannt


Die Glocke misst majestätische 6,75 m Höhe, hat einen Durchmesser von 3,30 m und ein Gewicht von ca. 46,5 Tonnen. Sie hängt heute im Glockenturm des 1733 erbauten Dazhong-Tempels in Beijing, der als Museum für Glocken und zahlreiche andere Musik- und Klanginstrumente genutzt wird. Sie ist eine der größten und wohl auch schönsten Glocken Chinas.

Glockenkrone, Glocke aus der Zeit der Ming-Dynastie, 1492, Dazhong-Tempel, Peking, Foto: German.china.org.cn-Foto-Jia Yunlong-Krone

 

Kaiser Yong Le muss ein leidenschaftlicher Verehrer von Glocken gewesen sein. Unter seiner Herrschaft wurden fünf der größten, heute noch erhaltenen Glocken Chinas gegossen.

Diese mächtigen Glocken, natürlich aus Bronze wurden, wie alle großen Tempelglocken im ostasiatischen Raum, mit einem langen großen runden Holzbalken von buddhistischen Mönchen unter Gesang und Anfeuerungsrufen angeschlagen. Auf diese unverwechselbare Art erregt, klingt vor allem der Unterton dieser Riesenglocken, in der Regel sonorer und mit längerem Nachklang, als mit den bei uns heute üblichen geschmiedeten Stahlklöppeln.